Ein Beitrag von Kornelia Koepsell
Das Buch von Lion Feuchtwanger „Die Geschwister Oppermann“ hat mich schon in der Jugend nachhaltig beeindruckt, besonders wegen des Konfliktes, in den der Gymnasiast Berthold Oppermann gerät. Er muss ein Referat über „Hermann den Deutschen“ halten. Dies tut er in der Form des „dialektischen Aufsatzes“, d. h. indem er Rede und Gegenrede zu einer Synthese vereinigen will. Er mag Hermann den Cherusker eigentlich nicht, kann ihm aber auch positive Seiten abgewinnen. Doch während des Referates kommt er nicht mehr dazu, dialektisch zu argumentieren. Kaum hat er gesagt, dass Hermanns Tat nicht so folgenreich war wie Luthers Bibelübersetzung und die Erfindung des Buchsdruckes, wird er vom völkischen Lehrer Vogelsang vor der Klasse höhnisch gedemütigt und soll sich entschuldigen. Die allgemeine Stimmung ist schon so antisemitisch, dass sich niemand zu Berthold bekennt.
Bertolds Onkel und Tanten, die Geschwister Oppermann, sind mit eigenen schweren Problemen beschäftigt. Das Möbelhaus wird enteignet, der Oberarzt Edgar entlassen, der Schöngeist Gustav stirbt nach einer KZ-Inhaftierung. Die Handlung des Romans, der im Jahr 1933 veröffentlicht wurde, spielt in der Zeit vor und nach der Machtergreifung. Damals, das wird auf bedrückende Weise geschildert, hatten viele Menschen noch Möglichkeiten, sich zu widersetzen. Aber die Feigheit, der Materialismus und die Geldgier der christlich-deutschen Bevölkerung sind schockierend.
Feuchtwangers Sprache ist lebendig, zupackend mit eher kurzen Sätzen und viel wörtlicher Rede. Dadurch wird der Leser unmittelbar ins Geschehen einbezogen. Die Personen sind in ihrer Eigenart mit hoher psychologischer Komplexität beschrieben. Ihre Konflikte sind spannend geschildert. Das Ganze wirkt wie ein Tatsachenroman und keineswegs erfunden. Anfangs kommt der Roman ein wenig schleppend voran, da Gustav über sein bisheriges Leben nachdenkt, aber auf diese Weise wird seine Zwiespältigkeit gezeigt.
Lion Feuchtwanger: Die Geschwister Oppermann, Aufbau Taschenbuch, 12,99 Euro.
Es gibt auch eine Hörbuchfassung, gelesen von Michael Degen.