Ein Beitrag von Susanne Petersen
Der österreichische Autor Elias Hirschl widmet sich in seiner neusten Romansatire dem Phänomen von Content-Fabriken, einem Geschäftsmodell, spezialisiert auf die Massenproduktion oberflächlicher Text- und Bewegtbildinhalte, die auf sozialen Plattformen weit verbreitet und nicht selten desinformativ sind. Die namenlose Protagonistin findet sich in einem Job als Content-Creatorin ohne Perspektive für Smile Smile Inc. wieder, betäubt vom monotonen Büroalltag und umgeben von skurrilen Arbeitskolleginnen wie Karin, die sich bald schon bei der täglichen Erstellung von Listen-Artikeln in Wahnvorstellungen verliert. Währenddessen arbeitet ihre Kollegin Marta aus dem Video-Department noch die Traumata aus der Is-It-Cake-Ära auf. In einer lebensfeindlichen Umgebung, geprägt von der allgegenwärtigen Sorge durch KI ersetzt zu werden, und dem permanenten Druck zur Produktivität, porträtiert Hirschl das Bild einer Anfang Dreißigjährigen, gefangen zwischen dem Mangel an Selbstwirksamkeit, sich aus der monotonen Sinnleere ihres Alltags zu befreien und der zunehmenden Entfremdung. Fast wie in einem schlechten Film brechen über der Protagonistin dystopische Zustände herein, verursacht durch den Jahrzehnte andauernden Raubbau an der Natur und skrupelloser Geschäftemacherei durch ihren indirekten Arbeitgeber, dem größten Kohle- und Stahlproduzenten des Landes. Und dann ist da noch das Geheimprojekt, dass in den ehemaligen Stollen tief unter dem Firmengebäude gedeiht und atmet. Die Erzählungen und Ereignisse in dem Buch lassen die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Absurdität der digitalisierten Gesellschaft verschwimmen. Wo hört Satire auf und wo beginnt die Realität, in der sich die Schlagzeilen über die Neubenennung nach der Twitter-Übernahme selbst schon wie Satire lesen? Mit „Content“ werden wir auf unterhaltsame Weise mit den Herausforderungen und fast schon irrsinnigen Auswüchsen des KI-Zeitalters konfrontiert – Schmunzelfaktor garantiert. Auch wenn die Handlung meines Empfindens nach aufgrund der als lethargisch empfundenen Protagonistin zuweilen an Dynamik verliert, ist das Buch für diejenigen ein Genuss, die düsteren Humor und Satire an der wirtschafsliberalen Hustle-Culture zu schätzen wissen. Nur ein Zitat auszuwählen fiel mir wahrlich schwer.
Elias Hirschl: Content, Paul Zsolnay Verlag 2024, 224 Seiten