Ein Beitrag von Christian Weiglein
Die Auflösung des Georg B. des gebürtigen Schweinfurters und Wahl-Schweizers Wolfgang Weigand erschien im Oktober 2023 und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Corona-Lockdowns der Jahre 2020 und 2021 längst vergessen scheinen. Weigand versetzt uns in diese Zeit zurück und erzählt eine Geschichte, die exemplarisch für die durch Kontaktbeschränkungen hervorgerufenen sozialen Verwerfungen stehen könnte. Für die titelgebende Hauptfigur Georg Blessing wird der erste Lockdown im Frühjahr 2020 zum Wendepunkt seines Lebens. Ein Leben, das bisher im steten Wechsel zwischen zwei Frauen stattfand: Rita, seine Ehefrau mit ihren beiden gemeinsamen Söhnen; sowie Claudia, mit Georg verlobt und von ihm schwanger. Die Frauen wissen voneinander nichts. Georg erklärt ihnen gegenüber seine Besuche bei der jeweils anderen mit Geschäftsreisen für das Finanzinstitut FSP, in dessen Leitungsebene er agiert.
Die Situation ist fragil, für Georg zunehmend belastend und wird durch die mit der Pandemie zusammenhängenden staatlichen Maßnahmen schließlich prekär. Aber Weigand ist am Schauwert der sich anbahnenden Katastrophe kaum interessiert. Kapitel aus der Sicht von Rita, Claudia und Georg verdichten sich stattdessen zu einem Abbild des Innenlebens der Figuren und ihrer Beziehungen zueinander. Die Puzzlestücke werden hierbei nicht immer chronologisch sondern inhaltlich-assoziativ gereiht und durch Sprünge in die Vergangenheit sowie eingestreute (fiktive) Zeitungsartikel ergänzt. Leider verpasst der Autor hierbei die Chance, Rita und Claudia eine individuelle Stimme zu schenken. Ihr Denken kreist nahezu ausschließlich um Georg, viele Empfindungen werden dem Leser ohne nennenswerten Erkenntnisgewinn doppelt geschildert. Gepaart mit einer Armut an äußerer Handlung kommt es hierdurch auf den ersten 250 Seiten wiederholt zu inhaltlichem Leerlauf. Weigand weidet äußerst empathisch und mit großer Gründlichkeit in den Unsicherheiten, Abhängigkeiten und Traumata der Handelnden, erschafft aber erst im letzten Drittel eine Erzählung, die sich selbst trägt.
Roman, Verlag Königshausen & Neumann, kartoniert, 386 Seiten, 26 €