Ein Beitrag von Luise Stark
August Becker ist ein gefeierter Pressefotograf, dessen Porträts dafür bekannt sind, die Menschen ‚so wie sie sind‘ darzustellen, manchmal sogar zu entblößen.
Becker verfolgt mit seiner Kamera den Wahlkampf des rechten Politikers Ulli Popp. Er sucht nach einem Foto, das den immer beliebter werdenden Post-Faschisten auch als solchen entlarven kann. Aber durch verschiedene Umstände lernt Becker den Politiker schließlich persönlich kennen und ist überrascht über dessen empathischere Seiten. Das lässt den Fotografen hinterfragen, ob die Zeitungsbeiträge über den Politiker tatsächlich akkurat sein können.
Becker balanciert zwischen den Berichterstattungsweisen verschiedener Medien, die aus unterschiedlichen Gründen seine Bilder haben wollen oder ablehnen. Frustriert davon trifft Becker eine Entscheidung, die ihn schließlich selbst zu Zielscheibe des Wahlkampfdiskurses macht.
Der Roman ist ein Lehrstück über Mediensynergien – was eindrücklich ist, aber auch kritikwürdig.
Verschiedenste Gruppen interpretieren Beckers Fotografien: Pressekolleg*innen, Parteifans bis hin zu seiner Familie und anonymen Usern im Internet. Und obwohl Beckers Porträts den Rechtspopulisten als rücksichtlosen Mann entstellen sollen, wiegt Popp sich mit den Fotos in Sicherheit, denn das ist es, was die Menschen jetzt sehen wollen. Dadurch wird deutlich, dass die Darstellung von „Wahrheit“ von diversen Gruppen eingesetzt werden kann, um teils Gegenteiliges zu implizieren.
Innere Monologe und Dialoge zwischen den allesamt intellektuellen Charakteren schaffen Denkräume, um die Funktion der Medien, ihr Verhalten, und den (damit verbundenen?) Anstieg des Rechtspopulismus durchzuspielen. – Der Alltag der Medienschaffenden, der Lesenden sonst verborgen bleibt, wird sichtbar – mit allem Wanken und Abwägen zwischen persönlichem Idealismus und Anpassung an die branchespezifischen und aufmerksamkeitsökonomischen Gegebenheiten.
Jedoch erwecken Beckers Besuche bei Autoren und Künstlern, Vernissagen, Pressekonferenzen (selbst die Gespräche mit seinem Sohn über dessen Studium) ein Gefühl der sozialen Entkopplung, wenn es um Medienkompetenz geht. Das Verhaften in der intellektuellen Blase hinterlässt den Eindruck, dass diese Gespräche nur in diesem Milieu stattfinden. Das wird am Ende des Buches deutlich, als Becker sich dann doch kurz aus dieser Ebene herausbegibt. – Nur um ein Foto zu machen.
Doron Rabinovici: Die Einstellung: Roman, 2022, 224 Seiten


