"Drei Kameradinnen" von Shida Bazyar

Ein Beitrag von David Schiepek

Im Mittelpunkt des Romans stehen drei Freundinnen, von denen wir,
ohne ihre Biographien zu wissen, nur wissen, dass sie als
migrantisch gelesen werden. Zwischen der unangepassten Aktivistin
Saya und der unauffälligen Hani, die in einem Greenwashing-Thinktank
arbeitet, muss die Ich-Erzählerin Kasih ihren Platz im Spektrum
identitätspolitischer Vorstellungen finden. Dadurch schafft es die
Erzählung, die Bandbreite von Erfahrungen und Bewältigungsstrategien
von migrantisierten Menschen im Hinblick auf rassistische
Diskriminierung sichtbar zu machen.
Die Geschichte, die Kasih vielleicht gerne schreiben würde, wäre
eine wie das vorangestellte Zitat: Eine spritzig-witzige Story über
drei urbane Mittzwanziger-Frauen, die sich in den Schlaf kichern und
mit Jobsuche und Dating struggeln. Doch es ist ein anderer Text, die
Kasih stattdessen schreiben muss: Sie rekonstruiert einen tödlichen
Brand in einem Berliner Wohnhaus, dessen unheilvolle Verbindung mit
Saya den Roman in Spannung hält. Zugleich entfaltet der Text eine
sensible und messerscharfe Reflexion über Identität und Rassismus in
Deutschland. In Rückblenden auf die Jugend der drei Kameradinnen
geht Kasih sozialen Spannungen und rechter Gewalt auf den Grund und
zeigt, wie Ausgrenzung im spätkapitalistischen Deutschland innere
Unsicherheiten erzeugt.

Als herausragende Stärke des Textes ist der besondere Erzählstil des
Romans hervorzuheben: Die Erzählerin appelliert direkt an uns
Lesende und lässt darüber hinaus im Laufe des Romans Zweifel an
ihrer eigenen Glaubwürdigkeit aufkommen. Durch diese meta-narrative
Dekonstruktion werden wir Lesende aufgefordert, aufmerksam und
reflektierend zu lesen, was bei mir dafür gesorgt hat, dass der Text
mich über eigene Vorurteile und rassistisch bedingte Schlüsse
stolpern ließ.

Der Roman von Shida Bazyar ist eine schonungslose und kraftvolle
Anklage eines Deutschlands, in dem mehr als ein Fünftel aller
Menschen rassistisch diskriminiert werden, Kritik an gerade diesem
Rassismus aber von wiederrum einer anderen Drittel als
„überempfindlich“ zurückgewiesen wird (Nationaler Rassismus- und
Diskriminierungsmonitor 2022). Die hier einfühlsame, da wütende
Erzählweise, macht den Text zu einem fesselnden Roman, der mit Wut
ansteckt und blinde Flecken sichtbar macht.

Drei Kameradinnen von Shida Bazyar, erschienen 2021 bei Kiepenheuer & Witsch

Zitat aus "Drei Kameradinnen" von Shida BazyarEin Beitrag von David Schiepek

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