Ein Beitrag von Regina Frisch

Ein Tag im Frühling – Zwei Tage im Sommer – Drei Tage im Herbst: So heißen die drei Kapitel des Romans. Im Frühling schlägt Bettina ihren Geschwistern in einer launigen E-Mail vor, den 77. Geburtstag des verwitweten Vaters Georg gemeinsam zu feiern. Im Sommer empfiehlt die älteste Schwester, Huberta, den Vater vorher zu informieren und fragt, in welchem Restaurant man essen wolle. Im Oktober treffen Bettina mit ihrem Mann Johannes, Sebastian mit seiner Frau Mora und Huberta mit ihrem altersschwachen Hund beim Vater ein. Gemeinsames Abendessen und Absturz in einer Bar beschließen den Tag. In den Monaten dazwischen bewegt alle die familiäre Vergangenheit und die eigene Gegenwart. Das innere Wetter eines jeden ist nur manchmal von außen wahrnehmbar.

Als im Sommer ein neues Buch von Elke Schmitter erschien, musste ich es gleich lesen. Ihre Schreibe ist kunstfertig, ihre Haltung nüchtern und nachsichtig. Die Autorin liefert eine beeindruckend präsize Analyse der Lebenswelt ihrer Generation, die ohne sich in den Vordergrund zu drängen in kleinen Details immer wieder durchscheint. Häufig wechseln die Perspektiven und man muss aufmerksam lesen, um den undramatisch beschriebenen Gefühlsstürmen und -flauten zu folgen. Aber keine Angst: Die Kapitelgrenzen und die erfrischenden E-Mails schaffen eine fast heitere Struktur, die einen beim Lesen trägt.

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Das Zitat, das ich ausgesucht habe, zeigt die freundliche Distanz, die nicht nur Georg seinen Kindern gegenüber, sondern alle Familienmitglieder zueinander haben: „Seine Kinder wären erstaunt, welche Erosionsprozesse sich hinter seiner Fassadenpflege ereignet haben. Die Infrastruktur muss funktionieren, hörte er sich neulich, zu seiner eigenen Überraschung, sagen, … Biografien nicht.“ – „Die Infrastruktur muss funktionieren … Biografien nicht.“ Ein Satz für‘s Poesialbum – voll Klugkeit und Nachsicht.

 

Elke Schmitter: Inneres Wetter, C. H. Beck Verlag München 2021, 202 Seiten

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