Buchcover von "Klumpen" von Peter Sipos. Untertitel: Gedichte und Poetologie. Gesamtes Cover mit rosafarbenem Hintergrund und kleiner grauer Schrift horizontal über dem gesamten Cover verteilt. Buchtitel, Autor und Untertitel in weißer Schrift in Versalien in der oberen Hälfte des Buches platziert.Text auf weißem Hintergrund"jesus christus am kreuz ich glaube ich fühle tod verzeihen sie ich bin ein sterbender" Aus "Klumpen" von Peter Sipos Rechts daneben ein Buchstapel, links unten in der Ecke Lieraturhaus Würzburg LogoEin Beitrag von Sebastian Schmidt

Ein Klumpen besteht zum Beispiel aus Erde oder Gold, ist ungefähr rund und hat in seiner Form keine weiter Funktion als die, seinen Inhalt auf zufällige Weise zusammenzuhalten. Ein Klumpen ist ein Zufallsobjekt, aus dem Boden genommen und in die unzumutbare Welt der Welt gesetzt. Darum jedenfalls geht es in Peter Sipos‘ Gedichten und der beigefügten Poetologie mit ebendiesem Namen, Klumpen, die im Oktober im Gans Verlag erscheint.

»Ich höre zu du chor der erde chor der stimmen die singen und wandern und wachsen und mal hier mal da in uns hinein und wieder raus einmal ein gefühl geben«. Dem lyrischen Ich geht es um Synthese, darum, sich selbst als »aufgenommen« zu empfinden in einer Unwirtlichkeit, in die wir qua Geburt fallen gelassen werden. Der britische Dichter Ted Hughes exerzierte dies anhand von Crow, einer Krähe. Peter Sipos‘ Ich ist ängstlicher, es mangelt ihm an Richtung und Optimismus, an Sprache, die es in der freien Form der Lyrik sucht (und findet, und nicht findet), dies aber nicht fühlt. Es sitzt und zerfällt, Ratten nagen an seiner Hüfte. Das Ich wirft eine Tasche gesammelter Handys in den Fluss und hält Zwiesprache mit Gott. Wir fühlen uns oft morbide aber die Dinge sind in ihrer Absurdität auch irgendwie (ur-) komisch, lustig.

Und auch Religion ist zentrales Thema in Klumpen. Gott als Möglichkeit, aus einer gesehenen Schuld zu entkommen. Die Chance, Kirche (wieder) als Gutes wahrzunehmen, aber auch das Wissen um die Ambiguität der Institution werden hier verhandelt. Und Sipos geht weiter, er taucht ein in die Materien von Christlichkeit: Wesen der Bibel tauchen auf, Bären und Regenwürmer. Das Alleinsein bekommt bei ihm eine besondere Tiefe, weil es von Figuren forciert wird, die bisweilen eine Beziehung herstellen, und sei es eine negative. Aber auch diese wird abgelehnt:

 

und sage hallo

sage darf ich mitkommen

doch nichts will mich

nichts nimmt mich

ich bleibe hier allein

 

»Das Ich löst sich im Schreiben auf«, schreibt Sipos später in seiner Poetologie und die Form, das Formverachtende, die Klumpen, geben ihm recht und machen den Inhalt konsequent.

Was man schließlich bei all dem Archaischen, der todtragischen Aufbietung nicht vergessen darf: Sipos‘ Lyrik ist eben auch immer humoristisch und zerstreuungssüchtig: »räucherst du schon wieder wespen aus der regenrinne rauchst du schon wieder mein sohn«. Kinder formen Klumpen, um sie sich ins Gesicht zu werfen, um zu lachen und sich, wenn man so will, zu erden. Gleiches geschieht auch hier.

 

jesus christus am kreuz

ich glaube ich fühle tod

verzeihen sie

ich bin

ein sterbender

Wir lachen und wir weinen und wir lachen beim Lesen und auch das macht den Band so einzigartig.

 

Peter Sipos: Klumpen. Gedichte und Poetologie. Ca. 120 Seiten. 24 Euro.

 

Schrift auf weißem Hintergrund: "Ein Beitrag von Sebastian Schmidt. Sebastian Schmidt, geboren 1983, aufgewachsen in und um Heidelberg. Prosa, Lyrik und Essays erschienen in Zeitschriften wie Lichtungen und GYM, Anthologien (u.a. JENNY, Dichtungsring zum 6. Bonner Literaturpreis) und online. Sebastian Schmidt schreibt Rezensionen für die Wiener Zeitschrift TAGEBUCH und ist Mitglied der Gruppe Other-Writers, die sich mit dem Thema Care-Arbeit und Schreiben befasst. 2021/22 erhielt er das Stipendium “Junge Kunst und neue Wege” des bayerischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst. 2022 erschienen seine Erzählung „Alle Instrumente“ im Berliner VHV- Verlag, sowie sein Lyrikdebut „so stelle ich mir den gesang von erst kürzlich mutierten finken vor“ im Verlag parasitenpresse (Köln). Für Gedichte daraus wurde er u.a. mit Yevgeniy Breyger und Mara-Daria Cojocaru für den Dresdner Lyrikpreis 2022 nominiert. Im kommenden Herbst erscheinen einige seiner Texte in einer Anthologie zum Thema Elternschaft und Autor*innenschaft im Verlag SuKuLTuR, Berlin/Hamburg. Texte von ihm sind ins Tschechische, Französische und Englische übersetzt. Der Autor lebt in Würzburg." Rechts im Bild ein Bücherstapel angeschnitten zu sehen. Links unten Logo Lieraturhaus Würzburg.

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner