Ein Klumpen besteht zum Beispiel aus Erde oder Gold, ist ungefähr rund und hat in seiner Form keine weiter Funktion als die, seinen Inhalt auf zufällige Weise zusammenzuhalten. Ein Klumpen ist ein Zufallsobjekt, aus dem Boden genommen und in die unzumutbare Welt der Welt gesetzt. Darum jedenfalls geht es in Peter Sipos‘ Gedichten und der beigefügten Poetologie mit ebendiesem Namen, Klumpen, die im Oktober im Gans Verlag erscheint.
»Ich höre zu du chor der erde chor der stimmen die singen und wandern und wachsen und mal hier mal da in uns hinein und wieder raus einmal ein gefühl geben«. Dem lyrischen Ich geht es um Synthese, darum, sich selbst als »aufgenommen« zu empfinden in einer Unwirtlichkeit, in die wir qua Geburt fallen gelassen werden. Der britische Dichter Ted Hughes exerzierte dies anhand von Crow, einer Krähe. Peter Sipos‘ Ich ist ängstlicher, es mangelt ihm an Richtung und Optimismus, an Sprache, die es in der freien Form der Lyrik sucht (und findet, und nicht findet), dies aber nicht fühlt. Es sitzt und zerfällt, Ratten nagen an seiner Hüfte. Das Ich wirft eine Tasche gesammelter Handys in den Fluss und hält Zwiesprache mit Gott. Wir fühlen uns oft morbide aber die Dinge sind in ihrer Absurdität auch irgendwie (ur-) komisch, lustig.
Und auch Religion ist zentrales Thema in Klumpen. Gott als Möglichkeit, aus einer gesehenen Schuld zu entkommen. Die Chance, Kirche (wieder) als Gutes wahrzunehmen, aber auch das Wissen um die Ambiguität der Institution werden hier verhandelt. Und Sipos geht weiter, er taucht ein in die Materien von Christlichkeit: Wesen der Bibel tauchen auf, Bären und Regenwürmer. Das Alleinsein bekommt bei ihm eine besondere Tiefe, weil es von Figuren forciert wird, die bisweilen eine Beziehung herstellen, und sei es eine negative. Aber auch diese wird abgelehnt:
und sage hallo
sage darf ich mitkommen
doch nichts will mich
nichts nimmt mich
ich bleibe hier allein
»Das Ich löst sich im Schreiben auf«, schreibt Sipos später in seiner Poetologie und die Form, das Formverachtende, die Klumpen, geben ihm recht und machen den Inhalt konsequent.
Was man schließlich bei all dem Archaischen, der todtragischen Aufbietung nicht vergessen darf: Sipos‘ Lyrik ist eben auch immer humoristisch und zerstreuungssüchtig: »räucherst du schon wieder wespen aus der regenrinne rauchst du schon wieder mein sohn«. Kinder formen Klumpen, um sie sich ins Gesicht zu werfen, um zu lachen und sich, wenn man so will, zu erden. Gleiches geschieht auch hier.
jesus christus am kreuz
ich glaube ich fühle tod
verzeihen sie
ich bin
ein sterbender
Wir lachen und wir weinen und wir lachen beim Lesen und auch das macht den Band so einzigartig.
Peter Sipos: Klumpen. Gedichte und Poetologie. Ca. 120 Seiten. 24 Euro.