Ein Beitrag von Martin Heberlein
Comics sind Schund. So der autoritär verabreichte Tenor in der sehr
protestantischen Familie des hier Schreibenden. Zwar stieß man als junger
Mensch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwangsläufig auf hinreißende
Episoden des Stardetektivs Nick Knatterton, der Peanuts und von Asterix und
Obelix, denen man auch als gegenteilig Erzogener eine gewisse Vergnüglichkeit
nicht absprechen konnte – aber das Vorurteil saß doch tief. Bis… ja bis in der taz
eine außerordentlich positive Rezension des 102. Bandes von Lucky Luke
erschien.
Natürlich hatte man schon gehört vom Cowboy, der schneller schießt als sein
Schatten, der irgendwann, dem pädagogischen Zeitgeist folgend, von der
Zigarette auf einen Grashalm umgestiegen ist. Die taz fand vor allem den
kapitalismuskritischen Ansatz in „Letzte Runde für die Daltons“ lobenswert, wobei
die politischen Aspekte schon sehr trivial bleiben (hier die Beendigung eines
Brauereiarbeiterstreiks, der in einer Stadt namens „Neumünchen“ ziemlich
lebensbedrohlich ist, durch einen „fairen“ Tarifabschluss).
Letztlich sind die Abenteuer des Grashalm kauenden Cowboys einfach ein riesiger
Spaß.
Freund der Indianer (natürlich) und anderer Unterdrückter, irgendwie auch Freund
von Rantanplan, dem eindeutig dümmsten Hund aller Zeiten, und den Daltons,
einem Verbrecherquartett, das so gerne furchterregend wäre, in Wahrheit aber
aus vier Muttersöhnchen besteht, die von Lucky in fast jedem Abenteuer eher
beiläufig im Knast abgeliefert werden.
Freund aber vor allem seinem sprechenden Pferd Jolly Jumper, das ihm
selbstverständlich treu ergeben ist, ihn aber gelegentlich auch (vorsichtig) auf
grundlegende Aspekte des Tierschutzes hinweist.
Hinreißend die Szene aus Band 100, als Lucky nach einem Notstopp von Jolly
Jumper aus dem Sattel und in eine Schlucht geschleudert wird, Jolly ihn schon
Harfe spielend im Himmel wähnt (Bild 1), ihm mit seinen Hufen
zusammengekratzte Blumen hinterherwirft (Bild 2) und sich anschließend in
eindeutiger Absicht quer über die Eisenbahnschienen legt (Bild 3). Natürlich taucht
Lucky pfeifend wieder auf, damit diese auch nach 102 Bänden immer noch
köstliche Western-Parodie weitergehen kann.