Ein Beitrag von Ulrike Sosnitza
Virginia Woolf hat mir mit „Orlando“ die Welt der Literatur erschlossen. Ich war sechzehn, so alt wie Orlando zu Beginn des Romans, und las völlig fasziniert davon, wie dieser junge Mann nicht nur dreihundert Jahre lang lebt, von sondern auch mittendrin im Schlaf und äußerst überraschend sein Geschlecht wechselt und fortan als Frau angesehen wird. Für mich war dieses Buch damals eine Mischung aus Literaturklassiker und einem Fantasyroman und ich las amüsiert davon, wie Orlando sich als Frau in einer Menge von Unterröcken und wechselnden gesellschaftlichen Konventionen neu orientieren muss. Aber Virginia Woolf fragt hier nicht nur nach den Unterschieden zwischen Mann und Frau, sondern stellt auch die Gemeinsamkeiten heraus.
Virginia Woolf (1882-1941) schrieb diesen Roman 1928 für ihre damalige Liebe Vita Sackville-West. Aber selbst, wenn man nichts über die berühmte Autorin und ihre Geliebte weiß (so, wie es mir mit sechzehn erging), ist es ein Genuss, diese mit leichter Feder geschriebene Geschichte zu lesen. Doch ist Orlando auch ein wunderbarer Einstieg in das facettenreiche Werk einer großen Literatin.
In meiner Lieblingsstelle beschreibt Virginia Woolf, wie sich im 19. Jahrhundert durch eine Verschlechterung des Wetters die gesamte Gesellschaft bis hin zur Erfindung von Muffins und Teekuchen änderte. Klimaveränderungen als Thema in der Literatur – Virginia Woolf war in vielerlei Hinsicht ihrer Zeit voraus.
Hier auf dem Foto sehen Sie meine Ausgabe, die 1981 im Fischer-Taschenbuch-Verlag erschien. Neuere Übersetzungen, z. Bsp. von Melanie Walz 2012 im Insel-Verlag, sind in ihrer Sprache moderner und leichter lesbar.
„Orlando“ war und ist mein absolutes Lieblingsbuch und immer wieder wert, gelesen zu werden.
Virginia Woolf: Orlando, S. Fischer Verlag 2012, 304 Seiten