Ein Beitrag von Theresa Jordan
Was ist Liebe? Eine zunächst so banal wirkende Frage, die in unserer heutige Gesellschaft in Filmen, Serien und Büchern zur Genüge beantwortet zu sein scheint. Weshalb also darüber ein gesondertes Buch verfassen? Doch Şeyda Kurt gibt sich mit diesen oberflächlichen Antworten, die vor allem die westliche Kultur zum Thema „Liebe“ hervorbringt, nicht zufrieden. In ihrem Werk „Radikale Zärtlichkeit. Warum Liebe politisch ist“ zeigt sie, wieso Liebe – und das nicht nur im Privaten – neu verhandelt werden muss und sie erklärt, warum Liebe politisch ist.
Dabei ist der Inhalt ihres Erstwerks stark autobiographisch geprägt. Neben den Erfahrungen ihrer Eltern schreibt sie auch über ihre eigene Lebens- und Liebenswelt. Doch nicht nur von Kurts eigener theoretischen Gedankenwelt erfährt der*die Leser*in einen Eindruck. So beschreibt die Autorin auch, wie Beziehungen unbewusst durch verschiedene Machtverhältnisse beeinflusst werden und der Mythos der „unantastbaren Liebe“ dazu führt, dass bestimmte Einzelheiten in zwischenmenschlichen Beziehungen als selbstverständlich hingenommen werden, diese nach der Autorin aber weit davon entfernt sind, selbstverständlich sein zu müssen.
Der Mythos „Liebe“ wird so Stück für Stück durchanalysiert, auseinandergenommen und am gesellschaftlichen Kontext gemessen bzw. eingeordnet. Trotz verständlicher Argumentationslinien und sinnhafter Behauptungen, lässt sich auch Kritik formulieren, denn an manchen Stellen beschleicht einen das Gefühl einer mangelnden (Argumentations-)Tiefe. Einige Schlüsse sind zwar im Gesamten verständlich, wirken aber stark verkürzt. Dieser Mangel hindert dennoch nicht daran, der Einladung zu folgen, die Radikalität einer neuverhandelten Zärtlichkeit für sich selbst zu entdecken.
Şeyda Kurt (2021): Radikale Zärtlichkeit – Warum Liebe politisch ist. HarperCollins. 18 Euro.