Buchcover von "Vom Schlafen und Verschwinden" von Katharina HagenaEin Beitrag von Hanna Schuder

Ellen Feld findet keine Ruhe. Wach liegt sie in ihrer Hamburger Wohnung, spürt die U-Bahn in regelmäßigen Abständen unter sich vibrieren und erzählt in einer einzigen schlaflosen Nacht vom Schlafen und Verschwinden. 

Denn der Schlaf ist ironischerweise Ellens Fachgebiet – in ihrer Arbeit als Somnologin beschäftigt sie sich täglich mit denen, die den Schlaf vergeblich suchen. Nun selbst von der Schlaflosigkeit heimgesucht, nimmt sie uns mit in ihr Heimatdorf Grund, zwischen Rheinauen und Spargelfeldern. Geschickt ineinander verwoben sind die Geschichten ihres Aufwachsens im Tiefgestade mit denen ihrer Rückkehr in das Dorf, siebzehn Jahre später. 

Gemeinsam mit ihrer jugendlichen Tochter Orla singt sie im Chor unter der Leitung ihres Vaters, der nur ein einziges Lied probt: Come heavy sleep. Unterdessen schläft ihre Mutter einen komatösen Schlaf; ihr Verschwinden begann schon lange davor. Orla vermisst Irland, baut Windharfen und Labyrinthe, während Ellen eine Liebschaft beginnt. 

Auch die im Dorf unbekannte Marthe singt im Chor. Grau und knöchern wie ein Graureiher beobachtet sie die beiden Frauen – ist ihr Schicksal doch mit dem ihren geheimnisvoll versponnen. 

Katharina Hagena schreibt wie kaum jemand über das Verlieren geliebter Menschen an das Vergessen.  Wie auch schon in der Geschmack von Apfelkernen ist Demenz ein wiederkehrendes Motiv in diesem Roman. Wie von einem Traum zum anderen, trägt der poetische Schreibstil der Autorin von einem Gedanken Ellens zum nächsten und ist in seiner Nebelhaftigkeit eine perfekte Lektüre für den Spätherbst. Zitat aus "Vom Schlafen und Verschwinden" von Katharina Hagena: „Ist der Schlaf der Hüter des Traums oder der Traum der Hüter des Schlafs? Wenn der Schlaf dem Leben nähersteht als dem Tod, so steht das Wachsein, das Erreichen vollkommenen Bewusstseins, dem Tod näher als dem Leben. Wachsein, Müdigkeit, Schläfrigkeit, alle Unterschiede scheinen sich zu verflüssigen. Liquidierte Gedanken werden Träume werden herausgerissene Unterwassergewächse. Wächsern ist die Haut von Entschlafenen. Ich bin wach. Immer noch. Immer, immer noch.“ Ein Beitrag von Hanna Schuder: Hanna Schuder befindet sich in den Endzügen ihres Sonderpädagogikstudiums und verbringt ihre Freizeit gerne im Grünen, weshalb sie den Schreibstil Katharina Hagenas vor allem für die feinen Naturbeobachtungen schätzt.

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